Alamannengräber in Radolfzell-Böhringen entdeckt

Es ist in Nahaufnahme eine Hand zu sehen. Sie ist schmutzig von Lehm und Erde. Zwischen den Fingern ist ein bronzefarbener metallener Gegenstand zu sehen, der ebenfalls schmutzig ist.
Ein kleiner Bronzebeschlag eines Ledergürtels zeigt zwei stilisierte Raubvögelköpfe, ein typisches Ziermotiv des frühen Mittelalters (etwa sechstes bis siebtes Jahrhundert nach Christus)
Bildnachweis: Archaeotask GmbH

Bei Tiefbauarbeiten in der Fritz-von-Engelberg-Straße in Radolfzell-Böhringen stieß die Firma Gnädinger & Mayer am 10. Oktober 2023 auf die Überreste menschlicher Knochen, die sie der Kreisarchäologie des Landratsamtes meldete. Laut der Untersuchungser­gebnisse von Kreisarchäologe Dr. Jürgen Hald, handelt es sich bei den Funden um Teile eines frühmittelalterlichen Friedhofs. Bei den daraufhin eingeleiteten Grabungsarbeiten konnten bisher 23 Gräber festgestellt werden.

In enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und der Bau­herrenschaft legt die Grabungsfirma Archaeotask GmbH aus Engen-Wel­schingen die Grabfunde seit dem 18. Oktober unter der örtlichen Leitung von Sina Wiedermann und Georg Häußler frei und dokumentiert sie. Dr. Hald begleitet die Arbeiten fachlich. Die archäologischen Unter­suchungen sind zügig vorangeschritten, sodass die meisten Gräber inzwischen unter­sucht und die Skelettreste sowie Beigaben geborgen werden konnten. Die Mehrzahl der 23 festgestellten Gräber sind um West-Ost orientiert und in drei regelmäßigen Reihen angeordnet. Wie für früh­mittelalterliche Bestat­tungen üblich, sind die Schädel der Toten jeweils auf der Westseite des Gra­bes und mit Blick nach Osten platziert. Während einige Gräber vermutlich beraubt wurden, waren in anderen noch Beigaben erhalten: Kleine Gürtel­schnallen, Teile von Gürtelbeschlägen, ein Keramik­gefäß, eine Bronzemün­ze sowie ein Knochenkamm konnten sichergestellt werden. Nach aktuellem Stand stammen diese Beigaben aus dem sechsten oder siebten Jahrhundert nach Christus, das auch als Merowingerzeit bekannt ist.

Kreisarchäologe Dr. Jürgen Hald, Georg Häußler von der Grabungsfirma Archaeotask GmbH, Bürgermeisterin Monika Laule, Ortsvorsteher Bernhard Diehl und Benedikt Winkelmann von Gnädinger & Mayer GmbH (v.l.n.r.) begutachten ein freigelegtes Skelett aus dem frühmittelalterlichen Gräberfeld von Radolfzell-Böhringen.
Bildnachweis: Landratsamt Konstanz

Bereits vor dem ersten Weltkrieg war man in Böhringen beim Schulhausbau auf erste frühmittelalterliche Gräber gestoßen, die aber nicht genauer do­kumentiert wurden. Auch zwischen 1928 und 1932 waren bei weiteren Bauarbeiten Gräber zutage gekommen, die ebenfalls nicht archäologisch untersucht wurden. Es ist davon auszugehen, dass so zwischen 30 und 40 Gräber zerstört wurden. Im Hegaumuseum in Singen sind jedoch einige we­nige Funde aus der Zeit um 600 nach Christus erhalten. 
 
„Mit den neuen Grabfunden konnten wir nun erstmals das alamannische Ortsgräberfeld von Böhringen näher eingrenzen. Unter der Berücksichti­gung der Funde aus dem frühen 20. Jahrhundert, scheinen wir den nördli­chen Rand eines großen Reihengräberfelds aus dem sechsten und siebten Jahrhundert nach Christus entdeckt zu haben, das sich wohl über mindes­tens 80 bis 100 Meter ausdehnte“, fasst Kreisarchäologe Dr. Hald die ersten Ergebnisse zusammen. „Mit diesen Gräbern haben wir vermutlich auch die Gründergenerationen des Ortes Böhringen vor uns, der urkundlich erst 1243 nach Christus sicher erwähnt wird“, so Dr. Hald weiter.

In einem Grab kam ein aus Tierknochen hergestellter Kamm zum Vorschein (etwa sechstes bis siebtes Jahrhundert nach Christus).
Bildnachweis: Archaeotask GmbH

Die Ausgrabungen werden in den nächsten Tagen abgeschlossen und die Funde anschließend dem Landesamt für Denkmalpflege zur Restaurierung übergeben.