Steganlagen am Bodenseeufer

Wenn Freizeitnutzung und Ökologie aneinander geraten

Hintergrund

Am Bodenseeufer gibt es vielfältige Nutzungskonflikte zwischen privaten und öffentlichen Interessen, wie z.B. Naturschutz, Tourismus, Fischerei, Schifffahrt. Anlagen in bestimmten Bereichen des Seeufers sind häufig Anlass für langwierige Auseinandersetzungen zwischen privaten Stegeigentümern und der Verwaltung. Nicht selten müssen diese von Gerichten entschieden werden. Seit längerer Zeit bestätigen Gerichte die Ansicht des Landratsamtes Konstanz, dass private Anlagen aus geschützten Uferzonen entfernt werden müssen.

Bestätigung des Landratsamtes durch Gerichte

Nach Urteilen des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg in Mannheim aus den Jahren 2005 und im Mai 2010 gab es im Oktober 2010 vom Verwaltungsgericht Freiburg erneut zwei Urteile. Es wurde festgestellt, dass es keinen Rechtsanspruch auf erneute Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für eine vormals genehmigte Anlage gibt. Nicht genehmigte Stege und Dalben müssen auf Kosten des Eigentümers aus der Flachwasserzone entfernt werden. Im Dezember 2010 wurde in zwei weiteren Fällen ebenso entschieden: zwei Stegeigentümer deren Grundstück bis in den See hineinreicht, müssen ihre Stege aus der Flachwasserzone entfernen. Erschwerend kam hinzu, dass die Stege sich inmitten eines ausgedehnten Schilfbestandes befinden. (zu diesen Fällen wurde in der regionalen Presse berichtet, die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Freiburg sind derzeit noch nicht rechtskräftig).

Warum ist die Flachwasserzone wichtig

Uferzonen von Binnengewässern gehören zu den ökologisch wertvollsten Teilen der Erde. Allein der Bodensee hat insgesamt 273 km Uferlänge, die Flachwasserzone macht rund 15 % der Seeoberfläche aus. Land, Luft Wasser und Seeboden sind komplex miteinander verzahnt, dort finden ausgeprägte Austauschprozesse statt. Der gesamte Bereich ist lichtdurchflutet und wird von stark wechselnden Wasserständen, Strömungs- und Temperaturverhältnissen geprägt. Die Ufer- und Flachwasserzone beherbergt die mit Abstand größte Vielfalt an Lebensräumen und Biozönosen im See. Besondere Licht-, Strömungs- und Temperaturverhältnisse ermöglichen eine hohe biologische Aufbau- und Abbaudynamik mit besonderer Reinigungsleistung auch für schwer abbaubare Stoffe.

Für einen gesunden Bodensee und seine Funktion als Trinkwasserspeicher und Erholungsraum ist der Erhalt und die Sicherung der Ufer- und Flachwasserzone eine grundlegende Voraussetzung. Um diese Funktionen zu erhalten, müssen die Stoffkreisläufe und Lebensbedingungen in der Flachwasserzone und im Übergangsbereich Wasser/Land möglichst ungestört bleiben. Deshalb sind schon 1984 mit dem Bodenseeuferplan Gewässerschutzzonen im Ufer- und Flachwasserbereich geschaffen worden. Danach müssen bauliche und sonstige Maßnahmen mit den limnologischen Erfordernissen in Flachwasserbereichen vereinbar sein. Beeinträchtigte Uferabschnitte werden renaturiert und es gibt gesetzliche Regelungen wie das Bundesnaturschutzgesetz zum Schutz wertvoller Biotope (z.B. Schilfbestände) vor Beeinträchtigungen.

Limnologische Auswirkungen von Stegen und Dalben

Limnologische Auswirkungen von einzelnen Stegen oder auch von Dalben sind isoliert betrachtet möglicherweise gering. Viele Anlagen haben in der Summe aber sehr wohl schwer wiegende Auswirkungen und die Ufer und Flachwasserzone wird deutlich geschädigt. Ein zur Weihnachtszeit passender Vergleich: ein Pfund mehr auf der Waage wird toleriert, wenn es viele Pfunde werden, schlägt der Zeiger deutlich weiter aus, irgendwann gibt es gesundheitliche Probleme. Dasselbe gilt für Stege und Anlagen im Gewässer, vor allem in schützenswerten Gebieten. Landratsamt und Gerichte sprechen von „Summationswirkung“, wenn es um die negativen Auswirkungen vieler Anlagen geht. Daher bedeutet dies: Stege in geschützten Gebieten müssen nach Ablauf der Genehmigung beseitigt werden.

Verallgemeinert kann man sagen, dass Stege den Untergrund beschatten und die verwendeten Pfähle ein Strömungshindernis sind. Insgesamt wird hierdurch die Vegetation und der Seeboden verändert und in der Folge der gesamte Lebensraum beeinflusst. Für den Laien nachvollziehbarer sind die indirekten Auswirkungen von Stegen: im Sommer werden durch ihre Nutzung hochspezialisierte Brutvögel vor allem im Schilf gestört, an- und abfahrende Boote sind ihrerseits Störfaktoren in der Flachwasserzone, sie emittieren Schadstoffe, und zerstören die Vegetation auch im See. Im Winter ist die Flachwasserzone überlebenswichtiger Ruheort und Nahrungsquelle für zehntausende überwinternde und störungsanfällige Wasservögel.

Wo sind besonders geschützte Uferzonen und was ist dort erlaubt?

Am Baden-Württembergischen Bodenseeufer werden drei verschiedene Uferzonen unterschieden:

  1. Allgemeine Zone: Hier sind Anlagen am Gewässer grundsätzlich zulässig, soweit sie den allgemeinen Vorschriften entsprechen. In der Praxis bedeutet dies, dass bereits bestehende Anlagen nach Ablauf der Befristung auf entsprechenden Antrag grundsätzlich wieder genehmigt werden können, wenn die allgemeinen sonstigen gesetzlichen Grundlagen eingehalten werden. Neue Anlagen werden hier regelmäßig nicht genehmigt.
  2. Uferzone I: Hier sind grundsätzlich keine baulichen und sonstigen Anlagen zulässig. Dies gilt insbesondere für Aufschüttungen, Hafenanlagen, Stege und Bojenfelder. Auch andere Eingriffe, welche die Flachwasserzone beeinträchtigen können, sind nicht zugelassen.
  3. Uferzone II: Hier sind öffentliche und private bauliche oder sonstige Anlagen und andere Eingriffe nur dann zuzulassen, wenn sie nach Umfang, Gestaltung und Folgewirkung mit dem Schutz der Flachwasserzone zu vereinbaren sind oder wenn das öffentliche Interesse den Schutzzweck überwiegt. Unter diesen Voraussetzungen können insbesondere zugelassen werden:
  • Öffentlich zugängliche Strandbäder
  • Leitungsanlagen
  • Schifffahrtszeichen
  • Einzelbojen für die Berufsfischerei und für gewerbliche Bootsvermietungen, soweit dies im öffentlichen Interesse geboten ist
  • Zugänge für Windsurfer außerhalb von Schilfbeständen
  • Anlagen des Gewässerschutzes
  • Slipanlagen für größere Trockenliegeplätze
  • Erweiterungen für Häfen und Steganlagen nur dann, wenn dadurch Bojenfelder beseitigt oder reduziert werden und eine Verbesserung der limnologischen Verhältnisse erreicht werden kann.

Die Uferzonen sind im Teilregionalplan „Bodenseeuferplan 1984“ für den Regionalverband Hochrhein-Bodensee definiert.

Naturwissenschaftliche Hintergrundinformationen

Erst in jüngster Zeit wurde in einer hochrangigen naturwissenschaftlichen Veröffentlichung erneut festgehalten, dass Uferzonen von Binnengewässern zu den ökologisch wertvollsten Teilen der Erde gehören. Insgesamt ist die Flachwasserzone durch sehr kleinteilige räumliche und zeitliche Rahmenbedingungen (z.B. bei Trübung, Temperatur, Lichtklima) gekennzeichnet, die wiederum mit sehr hohen Amplituden (also z.B. sehr kalt / sehr warm) auf die Lebensgemeinschaften wirken. Dieser Lebensraum wird durch eine Reihe weiterer Faktoren maßgeblich beeinflusst: Struktur bildende Elemente (z.B. Steine, Holz, Mauern), die Niederschlagsverteilung und Zuflussdynamik, einzelne Hochwasser- und Trockenjahre, Nährstoffeinträge, Klima und Klimaänderung, die Ufermorphologie (Steilufer / Flachufer) oder auch die Nutzung prägen den Lebensraum entscheidend. Diese Faktoren stehen ihrerseits intensiv in Wechselwirkung mit den oben genannten Rahmenbedingungen und verkomplizieren die Vorgänge in der Flachwasserzone weiter. Schließlich müssen sich die Lebensgemeinschaften mit Artenreichtum, der Individuenzahl und ihren Interaktionen (z.B. Räuber Beute-Beziehungen) auf dieses hochkomplexe Umfeld einstellen.

Am Bodensee und vielen anderen Gewässern wurden Interaktionen zwischen Ökologie und anthropogenen Störungen über Jahre intensiv untersucht, zum Beispiel:

  • können Wellen einen deutlichen Einfluss auf das Wachstum und die Aktivität von Wirbellosen Tieren haben. Sie können von ihrem Substrat abgelöst und verdriftet werden, unterliegen dann einem höherem Fraßdruck und haben ein durch Stress verringertes Wachstum.
  • 32 von 33 Fischarten im Bodensee nutzen das Litoral; bei Wellen zeigen sie bis 50 % weniger Wachstum. Die Aktivität von Fischen ist z.T. höher, sie haben deshalb einen höheren Energieverbrauch. Andere Arten wie z.B. Barsche, laichen tiefer, wenn ein stärkerer Welleneinfluss vorhanden ist.
  • In der Tendenz bedeutet Uferverbau eine Verarmung in der Verfügbarkeit von Ressourcen und damit eine Veränderung von Habitaten und Nahrungsketten. Zusätzlich wird die Flachwasserzone vom Hinterland abgekoppelt.

Referenzzustände für ein natürliches Ufer

Die EU-WasserRahmenRichtLinie wurde mit dem Ziel der „Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt“ erlassen. Hierzu wird gefordert, für jeden Oberflächenwasserkörper hydromorphologische und physikalisch chemische und auch biologische Referenzbedingungen festzulegen, die einem guten ökologischen Zustand entsprechen. Am Bodensee werden zur Bewertung der Ufer- und Flachwasserzone insgesamt 18 Kriterien in einer fünfstufigen Skala erfasst. Der Referenzzustand wird explizit als Abwesenheit störender (anthropogener) Einflüsse definiert. Jegliche Abweichungen vom Referenzzustand und damit sämtliche Einbauten in der Flachwasserzone sind damit prinzipiell negativ zu bewerten.

Weiterführende Informationen (Links)

Nachfolgende Links vermitteln Zugang zu weiterführenden Informationen, wie Planungs- und Rechtsgrundlagen sowie ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung.

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