
Milchviehfütterung im Zeichen des Klimawandels
In den letzten Jahren führte der Klimawandel auch in diesen Breitengraden zu immer mehr Trockenperioden. Für Tierhalter bedeutet das, dass im Sommer nicht genügend Futter für den Winter eingebracht werden kann. Welche Reaktionsmöglichkeiten stehen bei dieser Futterknappheit zur Verfügung? Dieser Fragestellung widmete sich Dr. Elisabeth Gerster vom LAZBW (Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg) am 17. Januar 2023 im Landwirtschaftsamt in Stockach.
Die klimatischen Veränderungen in den vergangenen Jahren zeigen, dass sich die durchschnittliche Jahrestemperatur in Baden-Württemberg in den letzten 30 Jahren von circa acht Grad Celsius auf über neun Grad Celsius erhöht hat. Diesen Verlauf stellte Dr. Gerster anhand von Wärmekarten eindrücklich dar. Daraus lässt sich ableiten, dass sich die Anzahl heißer Tage mit 30 Grad Celsius und mehr in Zukunft häufen werden.
Folgen für die Futternutzung im Grünland hängen auch von den Niederschlagswerten ab. Dr. Gerster führte aus, dass eine sichere Zukunftsprognose bezüglich der Niederschlagsmengen laut Klimamodellierer schwierig sei. Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass sich der Regen im Jahresverlauf anders verteilen könnte.
Daraus folgen für die Futtergewinnung von Grünland starke Trockenmasseverluste. Man kann aus den trockenen Jahren 2018 und 2019 ableiten, dass sich der erste Schnitt in seiner Quantität verringert und je nach Niederschlagsverteilung auch in den Folgeschnitten die Mengen nicht kompensiert werden. Der Qualitätsverlust ist dabei stark von der Bestandszusammensetzung abhängig. Zukünftig wird die Herausforderung größer, den richtigen Schnittzeitpunkt zu treffen.
Pflanzen, die unter Trockenstress stehen, reifen schneller ab. Dies ist auch beim Mais zu beachten. Dieser kommt mit der Trockenheit als C4-Pflanze zwar besser zurecht, aber nur, wenn Wasser zu den entscheidenden Zeiten dennoch zur Verfügung steht.
Landwirte, die eine gute Futtervorratsplanung machen, können auf die Veränderungen kurz- und mittelfristig reagieren. Dr. Gerster stellte dies an einer Beispielrechnung dar:
- Erster Schritt ist die Berechnung des Grobfutterbedarfes des Rinderbestandes. Dr. Gerster wies darauf hin, dass ein Puffer von 20 Prozent eingeplant werden sollte, um ungeplanten Situationen begegnen zu können.
- Zweiter Schritt ist die Feststellung der Lagermenge auf dem Betrieb und der eingelagerten Grobfutter wie Silagen, Heu, etc.
- Dritter Schritt ist die Kalkulation, bis wann der Vorrat reichen muss und wie lange der Vorrat tatsächlich reichen wird.
Im Beispielsbetrieb wurde eine fehlende Futtermenge von circa 360 Kubikmetern Grobfuttersilage errechnet. Wie kann dieser Futterknappheit begegnet werden?
- Der Jungrinder-Bestand für die Nachzucht sollte kritisch geprüft werden. Kann eventuell schon früher eine Selektion stattfinden?
- Streckung der Jungvieh- und Trockensteherration mit Stroh
- Anbauplanung und Nutzung von Ackerfuttern wie Kleegras und/oder passenden Zwischenfrüchten wie Weidelgras und eventuell Grünroggen (gegebenenfalls auch als frisches Futter)
- Prüfen der Verfügbarkeit und Zukauf von Saftfuttermitteln wie Pressschnitzel, Biertreber oder Maiskleberfutter. Achtung: Trockenmassegehalt messen!
Bei Zukauf von Futtermitteln wies Dr. Gerster darauf hin, schon frühzeitig seinen Bedarf zu ermitteln, da sich die Preisentwicklung bei zunehmender Nachfrage für den Käufer negativ entwickeln könnte.
Als Zukunftsalternative stellte sie eine für die Rinderfütterung noch wenig bekannte Feldfutterpflanze vor, die Sorghumhirse. Das LAZBW begann im Jahr 2022 mit dem Anbau im kleineren Rahmen, um Erfahrungswerte bezüglich der Anbaueignung, der Siliereignung als Ganzpflanze und dem Einsatz der Ganzpflanzen-Silage in der Milchviehfütterung zu gewinnen. Anschließend konnten die Teilnehmer unterschiedliche Silageproben beurteilen und die Folgen dieser Schwierigkeiten bei der Futtergewinnung riechen, fühlen und diskutieren.